Forschen, Sammeln, Zeigen – Eine besondere Neuerwerbung
Der Hinweis von Volker Kirchner führte Klaus-Dietrich und Marlies Keßler kürzlich zum Auktionshaus Quittenbaum in München, wo ein Teil der Keramiksammlung von Heinz und Lilo Frensch zum Verkauf stand.
Das Lindenhofmuseum besitzt seit vielen Jahren einen großen Jugendstilteller, den Christian Neureuther (1868-1921), Keramikkünstler der Wächtersbacher Steingutfabrik, offenbar vor Einrichtung der Kunstabteilung Neureuther dekorierte. Dieses besondere Stück mit einem Durchmesser von 41,5cm wählten Heinz und Lilo Frensch 1978 zum Titelbild ihres Buches „Wächtersbacher Steingut“. Der Dekor steht ganz im Zeichen der Ideen Hans Christiansens, eines bedeutenden Mitgliedes der Künstlerkolonie Mathildenhöhe Darmstadt.
Volker Kirchner empfahl dem Lindenhofmuseum, sich um einen anderen nun in München angebotenen Bildteller Neureuthers als Gegenstück zu bemühen.
Ferdinand Luthmer, Leiter des Frankfurter Kunstgewerbemuseums, lieferte 1879 einen Entwurf mit klassischem Dekor (Meerjungfrau mit zwei Delfinen) an Max Rösler, den Direktor der Wächtersbacher Steingutfabrik. Dieser Entwurf blieb unrealisiert in der Schublade der Fabrik. 1917 nahm Christian Neureuther diesen Entwurf und setzte ihn sehr beeindruckend auf einem Bildteller mit 35cm Durchmesser um. Neureuther experimentierte in den Jahren des Ersten Weltkrieges mit Dekoren und Dekorationstechniken auf der Suche nach der Nachkriegskunst.
Der Luthmer-Teller blieb in Neureuthers Privatbesitz. In der Nachlassauktion wurde dieser Teller 1979 in Wiesbaden versteigert. Er fand seinen Platz in der Sammlung Frensch und kam nun in München zur Versteigerung.
Klaus-Dietrich und Marlies Keßler sind durch diesen Erwerb in die Lage versetzt, zwei bedeutende unikate Werke Neureuthers nebeneinander zu zeigen: Den frühen, wohl 1903 entstandenen, von Hans Christiansen beeinflussten Teller und den 1917, ebenfalls von Neureuther umgesetzten Entwurf Ferdinand Luthmers.
Neureuther dokumentiert mit den beiden sehr außergewöhnlichen Stücken seine entscheidenden Fähigkeiten, gestalterisch überzeugenden Vorlagen anderer Künstler mit seinen keramischen Fachkenntnissen zu einer perfekten Umsetzung zu verhelfen.
Die beiden Produkte dokumentieren auf wohl einmalige Weise Neureuthers Stellenwert für den Bereich der angewandten Kunst zur Zeit des Jugendstils. Belegt der frühe Teller die Perfektion im Umgang mit Reservagetechnik und Schmelzmalerei, so beschreitet Christian Neureuther mit der Umsetzung des Luthmerentwurfes in seinen letzten Lebensjahren wieder den Weg zu den Fähigkeiten und Kenntnissen seines Ausbildungsberufes als Schmelzmaler.