Fesca meets Silver (fs)



„75 Jahre ist schon eine schwierige Zahl“, meinte der Jubilar am Pfingstsamstag 2010. Abgesehen davon, dass man ihm dieses Alter nicht anmerkt, riet Klaus Keßler am Samstag seinen zahlreichen Geburtstagsgästen, offen zu bleiben für alles Neue. Und er nutzte die Gelegenheit, eine bisher noch nie gesehene Sonderausstellung in seiner zum Keramikmuseum umfunktionierten alten Fachwerkscheune im Streitberger Lindenhof zu eröffnen: Edle Designerstücke, die vor etlichen Jahrzehnten in Zusammenarbeit der Waechtersbacher Keramik und der renommierten Hanauer Silberschmiede J. D. Schleissner Söhne entstanden, die vor einigen Jahren in das Hofgut Zippur in Hain-Gründau umgezogen ist. Landrat Erich Pipa ließ es sich nicht nehmen, sich diese neue Ausstellung anzuschauen und natürlich seinem Parteigenossen zu gratulieren.

In den neuen Werkstatträumen des denkmalgeschützten Hofgutes Zippur führt die Diplom-Designerin Brigitte Schleissner seit 1987 gemeinsam mit ihrer Mutter Ruth und mit ihrem Mann Wolfgang Krauss-Schleissner die Geschicke der renommierten Hanauer Silberschmiede. Nach der Gründung 1680 durch Johann Jakob Schleissner in Augsburg setzt sich die Unternehmensgeschichte ab 1816 entscheidend in Hanau fort. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen zerbombt. Aber die Silberschmiedekunst ging auf höchstem Niveau weiter, stets in Verbindung zum Goldschmiedehaus und zur Hanauer Zeichenakademie. Brigitte und Ruth Schleissner waren am Samstag persönlich anwesend und erklärten, was das Besondere ist: Ihr Großvater, Richard Schleissner, habe nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit der Schlierbacher Keramikfabrik diese Werke geschaffen. Die Steingutgefäße sind handgetöpfert und graphitschwarz. Diese Spezialglasur ist exklusiv für die Kombination mit dem Silber entwickelt worden und ähnelt dem Graphit eines klassischen Bleistifts. Dazu kommen die Deckel und Verzierungen aus edlem 925er-Sterlingsilber. „Das ist Historismus pur“, schwärmte ein Kunstkenner aus Kronberg im Taunus, auch wenn die Gründerzeitepoche eigentlich 50 Jahre vor der Entstehung dieser Werke zurück lag. Brigitte Schleissner setzt die Tradition ihres Großvaters fort und veredelt Produkte aus der heutigen Produktion der Keramikfabrik mit Silberapplikationen. Aber die heutigen glänzenden Glasuren halten den speziell angefertigen matten aus Graphitschwarz dem Vergleich nicht stand. Vor allem seien die damaligen Gefäße noch echte Töpferarbeit und die heutigen in Formen gepresst, wie sie erklärte. Die aktuelle Ausstellung im Lindenhofmuseum, die noch drei Monate zu sehen ist, trägt den Titel „Waechtersbacher Keramik im Silberschmuck – Schleissner meets Fesca“, denn die Designerin Ursula Fesca war seinerzeit maßgeblich beteiligt. Fesca stammte aus Dessau und war Vertreterin des Bauhaus-Stils. Sie hielt als letzte die Kunstabteilung der Waechtersbacher Keramik aufrecht, die in der Jugendstilzeit wahre Kunstwerke schuf.

Über all dem wurde der 75. Geburtstag nicht vergessen. Klaus Keßler zitierte Albert Schweizer. „Ob 70 oder 17 – im Herzen eines jeden Menschen wohnt die Sehnsucht nach dem Wunderbaren.“ Jugend sei ein Geisteszustand. Er hielt dem das „graue Fieber des Alters“ aus Goethes Faust 2 entgegen. Klaus Keßler erinnerte sich, dass er, als er 51 wurde, sein Leben noch einmal umdrehte, das Dasein eines wohlhabenden Bankkaufmanns aufgab und für die Hälfte des Einkommens als Gewerkschaftssekretär glücklich war. Zusammen mit seiner Frau Marlies ging er ein weiteres Wagnis ein: Aus dem Bungalow in Altenhaßlau folgte der Umzug in die alte Hofreite auf der Spielberger Platte, in ein kleines sympathisches Vogelsberg-Dorf. In vielen Jahren harter Arbeit ist aus dem Anwesen ein Schmuckstück geworden, das auch den Landrat erstaunte. Klaus Keßler bat seine Geburtstagsgäste um Spenden zugunsten des Förderkreises „Martinskirche Udenhain“. 400 000 Euro würden noch für die Sanierung des Gotteshauses benötigt. Der Gelnhäuser Künstler Achim Gogler steuerte ein Gemälde des Udenhainer Wahrzeichens bei und gab am Samstag zusammen mit Ingrid Schäfer ein musikalisches Ständchen. Und weiter ging die Party eines jung gebliebenen 75-Jährigen mit Musik der Beatles und der Rolling Stones.

(c) Text und Bilder: Frank Schäfer, 24. Mai 2010