10 Jahre Lindenhof-Museum in 2013
Vortrag zum 10jährigen Jubiläum Keramik-Museum Lindenhof am 8.6.2013 im DGH Streitberg
Das Leben mit einem Traum Anmerkungen zu 10 Jahren Keramik-Museum Lindenhof
Am Anfang unseres Traumes stand ein Zufall.
Anfang der 70er Jahre geriet ich in eine Haushaltsauflösung in Bad Orb. Eine alte Dame war gestorben, ihr Neffe wollte die kleine Wohnung möglichst schnell und möglichst kostengünstig leer geräumt haben. In diesem Haushalt gab es auch Keramiken, und die wurden verschenkt.
Was ich damals mitgenommen habe, identifizierte Wochen später eine Redakteur des Gelnhäuser Tageblattes, Dieter Tigges, als Wächtersbacher Keramik und erzählte mir von der alten Steingutfabrik in Schlierbach, die es immer noch gäbe und die sehenswert sei. Mit meinem damaligen Traum, einem fast neuen Opel-Sportwagen, machte ich im Spätsommer einen Ausflug vom Linsengericht nach Schlierbach zur Fabrik, fragte beim Pförtner der Fabrik nach einer Führung, und wurde von einer jungen Frau durch die Fabrik geführt und zum Schluss in einen Raum, der buchstäblich angefüllt war mit hunderten Keramikteilen.
Ich war von den Formen und vor allen von den Farben überwältigt, es war wie ein Rausch. Danach bin ich bei strahlendem Spätsommerwetter unten im Tal spazieren gegangen. Das war die Geburtsstunde meines Traumes
„Wächtersbacher Keramik“. Ich begann, Keramiken der Wächtersbacher Steingutfabrik zu sammeln.
Träume können ansteckend sein.
Viele Jahre später, in den End-80er-Jahren, habe ich nach meinem Banker-Job in Frankfurt 10 Jahre als Gewerkschaftssekretär im Ruhrgebiet gearbeitet.
Ich lernte eine Betriebsrätin der Commerzbank Bochum kennen, wir verliebten uns, wir fuhren an Wochenenden, Feiertagen und in den Urlauben ins Linsengericht in meinen kleinen Bungalow.
Ich zeigte Marlies den Spessart, den Vogelsberg und die Rhön, die sie nicht kannte. Wir fuhren nach Berlin – damals noch Mauer-Stadt, wo ich mit Freunden eine winzige Altbauwohnung gemietet hatte, und in Berlin-West gab es die wunderbarsten Antik- und Trödel-Märkte und auch Antiquitäten-Geschäfte. Wir suchten nach Wächtersbacher Keramik, fanden reichlich, meine Freundin war fasziniert, und der Traum entwickelte sich weiter.
‚Für die Zeit unseres absehbaren Ruhestandes suchten wir einen kleinen Bauernhof hier in der Gegend, das war der Traum dieser meiner Freundin. Wir suchten sehr lange vergeblich, dann fanden wir eine Hofreite im Vogelsberg, in Brachttal, dem Ort, wo immer noch eine gewisse Steingutfabrik produzierte.
1993 kauften wir und ließen das alte Bauernhaus renovieren.
1995 ging ich in Ruhestand und zog in Streitberg ein.
In der Fabrik wurde es inzwischen finanziell enger, sie begann, Teile ihres Keramik-Archivs zu verkaufen und ihr Museum aufzulösen. Wir kauften wunderschöne Stücke, für ziemlich viel Geld.
Der Traum ging weiter.
Meine Freundin – noch waren wir nicht verheiratet – versuchte, sich nach Frankfurt versetzen zu lassen. Sie war 49 Jahre jung, für die Commerbank Frankfurt aber viel zu alt. Die Versetzung scheiterte.
Ich saß 2 Jahre alleine in unserem Bauernhof, langweilte mich, hörte einen Vortrag über das Renovieren alter Scheunen – wir hatten ja eine – Wir beschlossen, unsere Scheune denkmalgerecht instand setzen zu lassen.
Der Traum ging weiter.
Wir haben 10 Jahre gebaut, nach der Scheune noch das Stallgebäude zu einem Wohnhaus umgebaut, und in der Scheune unsere Sammlung Wächtersbacher Keramik untergebracht. Diese war kontinuierlich weiter gewachsen.
Wir hatten inzwischen geheiratet. Wir ordneten unsere Keramik nach der Zeit ihrer Entstehung bzw. Produktion.
Wir öffneten unsere Sammlung für Besucher, was ursprünglich nicht so geplant war. Wir ließen ein kleines Fachwerkhaus in unserem Hof erbauen, um weiteren Platz für Ausstellungstücke zu gewinnen. Derzeit sind dort eine Jahrhundertwende-Küche der Möbelfabrik Eisenhammer und weitere Küchenutensilien ausgestellt. Im Museumsraum des umgebauten Silos sind unsere Keramik der 20er bis 50er Jahre untergebracht, in der Scheune das späte Biedermeier, der Historismus, der Jugendstil und die Kunstabteilung.
Das ist der Traum, in dem wir leben.
Unsere Besucher sind ein Teil dieses Traumes, Gruppen, Schulklassen, Familien.......
Gespräche, unsere Freunde, andere Keramiksammler, Verrückte wie wir.....
Wie könnten weitere Entwicklungen aussehen?
Wir müssen noch eine Bleibe für die Nachkriegsentwürfe der Ursula Fesca bei uns schaffen.
Ist unser Traum noch weiter entwicklungsfähig?
Eine engere Zusammenarbeit der Keramik-Museen in unserer Region wäre denkbar und möglich. Das Wächtersbacher Heimatmuseum, das Töpfer-Museum in Wittgenborn, unser Gemeinde-Museum in Spielberg, unser Museum,
und vielleicht lässt sich auch in der Fabrik wieder ein Museum installieren.
Gemeinsame Themenschwerpunkte wären möglich.
Eine gemeinsame Bewerbung wäre möglich.
Eine Belebung des Fremdenverkehrs – gerade für Brachttal- könnte dabei herausspringen und ist dringend wünschenswert.
Es gibt durchaus Gruppen, die ihrerseits versuchen, dem allmählichen Verschwinden der Wächtersbacher Steingutfabrik aus dem Bewusstsein der Menschen entgegen zu wirken.
Da nenne ich beispielhaft die Gruppe um Frau Prof. Rosemarie Schade, die ein Internet-Portal „Projekt Wächtersbacher Steingutfabrik“ gegründet hat.
Da nenne ich unseren Museums- und Geschichtsverein und unser Gemeinde-Museum in Brachttal-Spielberg.
Der gibt auch spannende Publikationen heraus, beispielhaft: Wächtersbacher Steingut, Die 20er Jahre“
Ich nenne den unglaublich engagierten Wächtersbach-Erforscher Volker Kirchner, der schon eine ganze Reihe von Publikationen herausgebracht hat.
Für mich am interessantesten ist seine Veröffentlichung „Der große Streik in der Wächtersbacher Steingutfabrik“.
Ich nenne Herrn Ludwig Rinn, dessen „Markentafel Wächtersbacher Keramik“ für uns Sammler den Dschungel der Wächtersbach Marken deutlich gelichtet hat.
Ich nenne Veröffentlichungen von Pascal Heß, Eberhard Traum und Dieter Kissner.
Und wie steht es um die Fabrik?
2011 wurde in Schlierbach die Produktion eingestellt, und ein Teil des Fabrik-Areals ist verkauft.
Die Marke der Wächtersbacher Keramik existiert weiter, optisch leicht verändert, es wird weiter produziert, freilich nicht bei uns.
Im Besitz des letzten Eigentümers, des Herrn Turpin Rosenthal, sind die alten Verwaltungsgebäude geblieben – sie stehen unter Denkmalschutz – der Keramik-Shop läuft weiter und verkauft werden dort Restbestände der alten Fabrik, die neuen Produkte, und Keramik von Könitz und Weimar.
Angeschlossen an den Shop wird derzeit eine Schau-Produktion aufgebaut, und für diese Schau-Produktion gibt es auch schon eine neue Marke. Sie zeigt das Wächtersbacher W und darunter das Logo „Die alte Fabrik“.
Kleinserien werden möglich sein und es werden Einzelstücke gefertigt werden.
Töpfern mit der Töpferscheibe könnte gezeigt werden, das Auflegen von Schiebebildern kann jetzt schon gezeigt werden. Die experimentellen Versuche mit der uralten japanischen Raku-Brenntechnik (Raku bedeutet Glück) sind angelaufen.
Am 22.6.2013 gibt es ein großes Fest und da wird „Raku“ das erste Mal vorgeführt werden.
Am 24.1.2013 hat sich ein Förderkreis „Steingut Schlierbach eV“ gegründet. Viele Wächtersbach-Sammler sind inzwischen Mitglied geworden.
Selbstverständlich ist unser Keramik-Museum Lindenhof Mitglied des Förderkreisess.
Wir gehören sozusagen zu den Gründungsmitgliedern, und unser Traum (da ist er wieder) ist, dass diese wundervolle Fabrik, wenn auch verändert, noch möglichst viele Jahre weiter lebt. Dort unten in Schlierbach gilt es immer noch, ein reiches kulturelles Erbe zu erhalten.
Das ist wichtig für die politische Gemeinde Brachttal und wichtig für die nachkommenden Generationen.
Einige Impressionen der Jubiläums-Veranstaltung: