Traum vom eigenen Museum leben
Marlies und Klaus Keßler haben vor zehn Jahren das Lindenhof-Keramik-Museum eröffnet
Brachttal-Streitberg (erd). Marlies und Klaus Keßler sagen: „Wir leben in einem Traum." Den haben sich die beiden Streitberger vor zehn Jahren erfüllt. Sie sind leidenschaftliche Sammler der Waechtersbacher Keramik und richteten sich auf Ihrer liebevoll restaurierten Hofreite ein eigenes Keramikmuseum ein. Dieses repräsentiert inzwischen die Entwicklung von 1832 bis In die 1950er Jahre und Ist sogar bei Kunsthistorikern anerkannt. Heute feiert das Ehepaar Keßler das Jubiläum mit einem Empfang Im Dorfgemeinschaftshaus. Und der Traum geht weiter.
„Früher wollte ich mich einmal in Griechenland zur Ruhe setzen", erzählt Klaus Keßler, „doch das hat sich endgültig zerschlagen". Denn inzwischen haben sich zwei Dinge im Leben von Klaus Keßler grundlegend geändert. Er hat in seiner Zeit als Gewerkschaftssekretär in Bochum seine Frau Marlies kennengelernt, und die beiden haben vor 20 Jahren in Streitberg den Lindenhof gekauft und die historische Hofreite, deren Scheune aus dem Jahr 1832 datiert, liebevoll restauriert. Aus den Stadtmenschen wurden Landbewohner aus tiefer Überzeugung.
Und dann ist da noch die Sammelleidenschaft für Waechtersbacher Keramik. Zu dieser kam er eher zufällig. Als Anfang der 70er Jahre in Bad Orb der Haushalt einer verstorbenen alten Dame aufgelöst worden war, wurde viel Inventar verschenkt. So bekam Klaus Keßler auch Keramik in die Hände, die sich als Waechtersbacher Keramik entpuppte. Er war begeistert, fuhr mit seinem neuen Opel-Sportwagen nach Schlierbach und nahm an einer Führung durch die Fabrik teil. Keßler war überwältigt von Formen und Farben. „Es war wie im Rausch!“, sagt er -der Beginn einer Sammelleidenschaft.
Eine Leidenschaft, die seine spätere Frau vorbehaltslos teilen sollte. Doch in ihrer Wohnung ließ sich nur ein kleiner Teil der Sammelobjekte aufstellen, das meiste lagerte gut verpackt in Kisten. Dann kaufte Klaus Keßler die Hofreite in Streitberg, renovierte diese denkmalgerecht. Als er 1995 einzog, arbeitete seine damalige Freundin noch in Bochum. Sie renovierten weiter: zuerst die Scheune, dann die Stallungen. Das Paar heiratete und ordnete seine gesammelten Exponate, die sie in der Scheune einrichteten. Wenig später öffneten sie ihr kleines Museum für die Öffentlichkeit.
Doch die Scheune reichte bald nicht mehr aus, um alle Abteilungen der Keramik zu zeigen. Familie Keßler richtete einen weiteren Ausstellungsraum in einem alten Silo auf dem Hof ein. Dort befinden sich die 20er bis 50er Jahre, in der Scheune das späte Biedermeier, der Historismus, der Jugendstil und die Kunstabteilung. In einem kleinen Fachwerkhaus, das die Familie Keßler vor zwei Jahren bauen ließ und das nun eine restaurierte historische Tür erhielt, steht eine Küche aus der Möbelfabrik Eisenhammer, selbstverständlich mit Waechtersbacher Keramik.
Das wird nicht der letzte Raum sein, der für die Keramik-Ausstellung genutzt wird. In einem Stallraum, in dem bisher Gartengeräte untergestellt wurden, soll ein Raum für die Werke von Ursula Fesca entstehen. Damit seien die eigenen Museumsvorhaben abgeschlossen.
Doch Klaus und Marlies Keßler denken weiter. Die Waechtersbacher Keramik sei ein zentrales Stück Brachttaler Geschichte. Daher gelte es, diese den Menschen näher zu bringen. Keßler schwebt vor, die Museen der Region zu vernetzen. Keramik gibt es nicht nur auf dem Lindenhof zu sehen, sondern auch im Brachttal-Museum in Spielberg, im Heimatmuseum in Wächtersbach und im Wittgenborner Töpfermuseum. Hinzu komme die frühere Keramik-Fabrik, in der weiter der Werksverkauf besteht und inzwischen eine kleine Produktion wieder angelaufen ist. Zusammen mit dem Förderverein wird zudem ein Markttag ins Leben gerufen, bei dem auch Keramik hergestellt und gebrannt wird. Und zwar nach japanischer Raku-Technik, die dem Steingutbrand in der Bronzezeit ähnelt. Zudem wird der Kunsthistoriker Pascal Heß zum Thema Spiel von Haut und Körper" referieren. Brachttal könnte Bestandteil der Industrieroute Rhein-Main sein, blickt Keßler in die Zukunft.
„Wir haben sehr viel an Geld, Arbeit und Leidenschaft investiert, aber auch sehr viel zurückbekommen, von den Menschen, die ins Museum kommen", sagt Marlies Keßler.
Klaus Keßler ist inzwischen 78 Jahre alt und denkt über die Zukunft des Museums nach. Dieses soll möglichst in seiner jetzigen Form für Brachttal erhalten bleiben. Das Ehepaar hat vier Kinder und vier Enkel, doch diese teilen nicht die gleiche intensive Leidenschaft, um das Museum weiterzuführen. „Wir werden einen Weg finden, denn die Keramik ist ein Stück Brachttal", ist sich Klaus Keßler sicher.
Quelle: Gelnhäuser Neue Zeitung 08.06.2013
Aktualisiert (Samstag, den 22. Juni 2013 um 13:35 Uhr)