Leben in einem Traum



SAMMELLEIDENSCHAFT Familie Keßlers Lindenhof-Museum besteht seit zehn Jahren

Gelebter Traum: Marlies und Klaus Keßler freuen sich über jeden, der ihr Museum besucht.Foto: SchäferBRACHTTAL (an). Vor zehn Jahren, als Marlies und Klaus Keßler in einer ehemaligen Scheune in Streitberg ihr Lindenhof-Museum offiziell eröffneten, ging ein Traum in Erfüllung, wie es schien. Dieser Traum geht weiter, und ein Ende ist nicht abzusehen. „Es war am Anfang alles nicht so geplant", berichteten die beiden im Gespräch mit dem Gelnhäuser Tageblatt.

Am kommenden Samstag, 8. Juni, werden die Eheleute Keßler mit einem Empfang im Dorfgemeinschaftshaus Streitberg das zehnjährige Bestehen ihres Privatmuseums feiern. Eine der bedeutendsten Sammlungen von Waechtersbacher Keramik von den Anfängen der Produktion im Jahre 1832 bis in die späten 60er Jahre des 20. Jahrhunderts ist darin untergebracht. Dabei hat alles in Bad Orb angefangen, und eher zufällig wurde Klaus Keßler, der damals in Großenhausen wohnte. Anfang der 70er Jahre von dem Virus gepackt. Er sei mit seinem Freund Dieter Tigges, damals ein Redakteur des Gelnhäuser Tageblatts, bei einer Haushaltsauflösung in Bad Orb gewesen, erinnert sich Keßler. Dort gab es eine Menge Keramik. Waechtersbacher Keramik, wie ihm Tigges erzählt habe. Klaus Keßler, der damals bei der Bethmann-Bank in Frankfurt Abteilungsleiter und Betriebsratsvorsitzender war, begann sich zu interessieren. Er besuchte die Keramikfabrik in Schlierbach und stieß im dortigen Werksmuseum auf Arbeiten des Jugendstilkünstlers Christian Neureuther. Klaus Keßler, der schon immer an Kunst interessiert war, entflammte. Beruflich viel in Deutschland unterwegs, suchte er in Antikläden und auf Märkten gezielt nach Waechtersbacher Keramik. Der Grundstein für die Sammlung war gelegt. Später kündigte er bei der Frankfurter Privatbank und wurde Gewerkschaftssekretär in Bochum, wo er auch seine jetzige Ehefrau Marlies, die damals noch Mosbleck hieß, kennenlernte. Die arbeitete bei der dortigen Commerzbank und war im Betriebsrat engagiert. Mit einer Verabredung in einer Eisdiele in Bochum begann ihr gemeinsamer Lebensweg, wie sich die beiden heute erinnern - und auch ihr gemeinsames Hobby. „Das macht mehr Spaß, wenn Du es zu zweit machst."

Sie suchten nach einem Platz auf dem Lande für ein neues Zuhause, durch Zufall stießen sie auf die alte Hofreite in Streitberg, die allerdings in einem ziemlich baufälligen Zustand war. Aber alte Fotos zeugten von der Idylle des Anwesens, wobei es ihnen besonders die alte Linde im Hof angetan hatte. 1993 kauften sie das Haus. Befreundete Architekten und Zimmerleute berieten sie, was zu tun ist. und das war eine ganze Menge. Zum Beispiel galt es, das Fachwerk freizulegen, das unter Eternitplatten verborgen war. Bis 1995 pendelten sie nach Bochum und verbrachten die Wochenenden in ihrem neuen Domizil. Und sie begannen auch, die Scheune zu sanieren - fachgerecht, mit Eichenbalken, Lehm und Flechtwerk. Sie überlegten, was sie mit der Scheune anfangen könnten. Vielleicht eine Kulturscheune, wie sie Ilse Werder in Katholisch Willenroth betrieb? Doch inzwischen war ihre Keramik-Sammlung weiter angewachsen, erst recht, als die Fabrik angefangen hatte, ihr Archiv und ihr Museum aufzulösen und die Gegenstände zu verkaufen. „Die Bestände an Waechtersbacher Keramik haben auf erschreckende Weise zugenommen", schilderte Klaus Keßler. Und als sie dann noch in der Zeche Zollverein in Essen und aus anderen Beständen Ausstellungsvitrinen erwerben konnten, sie eingeräumt waren und ihnen bewusst wurde, wie groß ihre Sammlung mittlerweile geworden war. wurde ihnen klar: „Wir müssen den großen Wurf wagen." So entstand das private Lindenhof-Museum, das an jedem ersten Sonntag im Monat und nach Absprache für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Die Sammlung ist weiter gewachsen, das ehemalige Silo und ein eigens errichtetes Häuschen im Hof sind als zusätzliche Ausstellungsräume dazugekommen. Und nun war ein Traum Wirklichkeit geworden: „Die Entwicklung der Waechtersbacher Keramik von den Anfängen bis in die relative Neuzeit darzustellen.“ Ihre Sammlung sei inzwischen so hochkarätig, dass sie für Kunsthistoriker interessant sei. „In dieser Richtung wird es weitergehen." Ein weiterer Traum sei. die Menschen und Museen der Region, die sich mit Waechtersbacher Keramik befassen, zusammenzubringen. Ein weiterer Schritt ist aus ihrer Sicht die „Industrieroute Waechtersbacher Keramikfabrik", die die „Kulturregion Rhein-Main" im August vorstellen wird. Das Lindenhof-Museum in dem kleinen Dörfchen Streitberg gehört dazu.

Quelle: Gelnhäuser Tageblatt 04.06.2013