Kostbarkeiten in Cobaltblau



Die alten Originale aus Holland (oben) und die Imitate Ursula Fescas. (Foto: Schäfer)SONDERAUSSTELLUNG Lindenhof-Museum in Streitberg zeigt alte holländische Kacheln und Waechtersbach-Fliesen

BRACHTTAL (an). Das ist eindeutig: Da hat die bekannte Designerin Ursula Fesca, die 1931 in der Waechtersbacher Keramik in Schlierbach leitende Form- und Dekorgestalterin wurde, eindeutig "abgekupfert". Marlies und Klaus Keßler, die in Streitberg das Lindenhof-Keramikmuseum betreiben, haben den Beweis gut sichtbar in ihrer diesjährigen Weihnachts-Sonderausstellung drapiert: zwei rund 300 Jahre alte holländische Kacheln und die zwei Imitate aus der Produktion in Schlierbach. Dies ist aber nur als kleiner Nebenaspekt dieser Ausstellung zu verstehen. Die Inhaber des privaten Museums haben sich im zehnten Jahr seines Bestehens für den zweiten und vierten Advent etwas Besonderes ausgedacht: Diesmal zeigen sie keine Weihnachtsteller, sondern alte Kacheln aus Holland und Fliesen aus der Waechtersbacher Keramik.


In den vergangenen Jahren hatten die Keßlers historische Weihnachtsteller aus skandinavischer Produktion und aus denn Rosenthal gezeigt. Diesmal wollten sie etwas anderes machen. Holländische Kacheln aus dem 16. Jahrhundert sollten der Schwerpunkt der Sonderausstellung sein. Und auch davon haben die beiden leidenschaftlichen Sammler in ihrem Fundus genug. Als sie darin stöberten, fiel ihnen auf, dass Ursula Fesca, die eigentlich aus dein Bauhaus-Stil kam, in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts holländische Kacheln aus der Zeit inn 1700 imitiert hatte. Die Designerin hat sie nicht eins zu eins nachgemalt, aber die Motive und der Bildaufbau sind identisch, wie die im Museum ausgestellten Beispiele belegen. Überhaupt kamen im Nachkriegsdeutschland in den 50er und 60er Jahren die Kacheln wieder in Mode. Tische und Beistelltische aller Größen, Tee- und Barwagen, aber auch Wandverkleidungen von Hausbars im Kachel-Look waren voll im Trend. Die Waechtersbacher Steingutfabrik, die früher immer "das Ohr am Puls der Zeit" hatte, begann ebenfalls mit der Produktion eines überaus vielfältigen Fliesen-Spektrums. Es entstanden darunter Fliesenentwürfe, die eindeutig holländische Kacheln zum Vorbild hatten sowie Kachel-Serien mit Schiffs-Motiven und See-Zeichen, die zumindest von holländischen Fliesen inspiriert waren.


Den Schwerpunkt der Sonderausstellung bilden jedoch die holländischen Fliesen aus dein 17. und 18. Jahrhundert, bei denen man unwillkürlich an die niederländische Stadt Delft denken muss. Aber diese Fliesen stammen aus verschiedenen Fliesen-Manufakturen in den nördlichen Niederlanden. Um die Zölle an den vielen Kleinstaatengrenzen des damaligen Deutschland zu sparen, gelangten diese Produkte überwiegend mit den Grönlandfahrern nach Norddeutschland und lösten dort einen regelrechten Boom aus, wie Klaus Keßler im Gespräch mit dem Gelnhäuser Tageblatt berichtete. Wohlhabende Kapitäne und erfolgreiche Reeder und Kaufleute ließen in ihren Häusern alle Wände mit Kacheln und Kachelbildern schmücken.

Da die Kacheln, anders als die Produkte der Waechtersbacher Keramik, auf der Rückseite keine Markierungen und Dekornummern haben, sind ihre Herkunft und ihr Alter nur abzuschätzen. Man kann sie beispielsweise aufgrund der Eckverzierungen grob dem Renaissance- oder Barockzeitalter zuordnen. Die Motive der gezeigten Kacheln haben oft etwas mit dem Meer oder der Schifffahrt zu tun. Neben diesen maritimen Motiven finden sich aber auch kleine Tiere oder Menschen auf ihnen, manche erzählen sogar biblische Geschichten. Es lohnt sich, jede Einzelne von ihnen zu betrachten. Alle sind handbemalt, zumeist einfarbig in cobaltblau, manche auch in Manganbraun, wobei Metallsalze zum Bemalen eingesetzt wurden.

Zum Besichtigen besteht am 2. und 4. Advent, jeweils von 14 bis 17 Uhr, bei freiem Eintritt Gelegenheit. Für die Besucher stehen zudem Glühwein und Adventsgebäck bereit. Unter der Telefonnummer 06054/6714 können auch zusätzliche Termine vereinbart werden. Weitere Informationen über das Museum findet man auch im Internet unter www.lindenhof-museum.de

 

Quelle: Gelnhäuser Tageblatt 06.12.2013