Das Geheimnis des Vogelmalers



Der unbekannte Gestalter stellte um das Jahr 1885 für die Waechtersbacher Keramik diese Fayencen her, die dem klassischen Delfter entlehnt sind.	Fotos: SchäferKUNSTGESCHICHTE Marlies und Klaus Keßler aus Streitberg sind einem unbekannten Keramikgestalter auf der Spur

BRACHTTAL (an). Wer ist dieser ge-heininisvolle Unbekannte, der uni 1885 für die Waechtersbacher Steingut-Fabrik, in Schlierbach dieses wunderschön verzierte Geschirr erschuf, das ganz dem Original Delfter aus Holland nachempfunden ist? Auf dein Boden der Gefäße hat er auf jedem einzelnen Stück sein Signet hinterlassen: die Karikatur eines Vogels, der manchmal fünf und manchmal sieben Schwanzfedem hat. Bislang weiß man so gut wie nichts von diesem Keramikmaler. Und Marlies und Klaus Keßler aus Streitberg, die auf ihrem Anwesen das private Lindenhof-Keramikmuseum betreiben, sammeln in akribischer Detektivarbeit Hinweise und hoffen auf den Zufall, dass vielleicht jemand Näheres über diesen „Vogelmaler" weiß.

In ihrem Museum haben sie derzeit eine kleine Sonderausstellung des "Vogelmalers" aufgebaut, die an jedem ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr sowie unter telefonischer Verein-barung (06054/6714) bei freiem Eintritt besichtigt werden kann. Das klassische Delft, erklärten die beiden Sammler im Gespräch mit dem Lehrhäuser Lageblatt, bestehe aus diesen blauen Fayencen, die später zum Beispiel Segelschiff- oder Windmühlenmustern
wichen. Diese Dekore hätten die holländischen Seefahrer von ihren Handelsreisen aus Fernost mitgebracht. Solche Blumenmuster und Ornamente hätten sie schon um 1700 verwendet. Und einige holländische Keramikhersteller, die auswanderten, hätten dies auch nach Frankfurt und Hanau gebracht. Die 1832 gegründete Waechtersbacher Keramik habe auch solche Dekore verwendet, um die Mitte des 19. Jahrhunderts sei diese Blaumalerei sehr beliebt geworden. In der Waechtersbacher Keramik hätten sie einen kleinen Restbestand dieses unbekannten Malers gefunden, einige Stücke haben sie bei ebay ersteigert. Aber insgesamt gesehen seien dies sehr seltene Stücke, über die man auch in der Fachliteratur nur sehr wenig finde. Neben dem gezeichneten Vogel finden sich auch Buchstabenkombinationen auf der Unterseite der Keramikstücke: HAR und EGM. Und der Vogel, so haben die beiden herausgefunden ähnele demjenigen, den die holländische Keramikmanufaktur Jakob van Kerkhoff aus Arnhem als Zeichen verwendete. Eine frühe Art der Markenpiraterie also? Die großen Keramikhersteller jener Zeit, Der Unbekannte hinterließ auf der Unterseite dieses Signet. Die Zahl „47Wedgewood aus England. Villeroy & Boch aus dem Saarland und die Waechtersbacher Keramik, haben sich damals bei der Konkurrenz umgeschaut, und so „wanderten" die Muster, wie es die Keßlers vorsichtig umschrieben. Wirklich einzigartig bei der Waechtersbacher Keramik sei der Wächtersbacher Jugendstil, den die Fabrik Christian Neureuther zu verdanken hatte, der von 1903 bis 1921 in Schlierbach wirkte. Aber momentan kreisen die Gedanken von Marlies und Klaus Keßler vor allem um diesen „Vogelmaler",    mit den    Initialen "HAR/GEM". Sie fragen sich, ob dies überhaupt eine einzige Person ist und ob womöglich einfach das gesamte Gefäß mitsamt dem Signet von holländischen Keramiken abkopiert wurde. Die Datierung sei aufgrund der Dekornuniniern 47 und 49 möglich. Dekornummern habe erst der Fabrikdirektor Röster eingeführt. Also müssten diese Gefäße aus der Zeit zwischen 1870 und 1890 stammen, so die Schlussfolgerung.

 

Aktualisiert (Montag, den 28. April 2014 um 07:26 Uhr)