Zum Vergessen viel zu schade



Die Wächtersbacher Kachel ist Alleinstellungsmerkmal der Möbel vom Eisenhammer.	(Foto: Löchl)Lindenhof Keramik-Museum baut Sammlung mit besonderen Stücken weiter aus

Brachtttal-Streltberg (dl). Das hätten sich Marlies und Klaus-Dietrich Keßler nicht erträumt, dass sie ausgerechnet ganz in der Nähe ihres Lindenhof Keramik-Museums fündig werden und hier ein besonders schönes Zeugnis der ehemaligen Möbelfabrikation in Brachttal entdecken. Von Michael Eckhardt aus Schlierbach restauriert, steht der mit Kacheln aus der Wächtersbacher Keramikfabrik veredelte Schreibsekretär Jetzt im „Wohnzimmer" des Museums, um wie eine Reihe anderer Neuerwerbungen, die große Handwerkskunst von zwei nicht mehr bestehenden Brachttaler Produktionsstätten zu dokumentieren.

Klaus-Dietrich Keßler hat es noch nicht aufgegeben, an ein umfassendes Museum auf dem ehemaligen Werksgelände der Keramikfabrik zu glauben. Er hätte allein genügend aussagekräftige Exponate, welche die einstmalige Blütezeit der Schlierbacher Keramiktabrikation belegen könnten. Wichtig erscheint ihm auch, dass man in diesem Zusammenhang die zunehmend in Vergessenheit geratene Möbelfabrik am Eisenhammer entsprechend würdigen könnte. Schließlich sind einige wenige Möbelstücke erhalten, die mit keramischen Einlagen aus der einheimischen Fabrikation aufgewertet wurden und damit einzigartig sind. Dass die Anzahl der noch erhaltenen Einrichtungsgegenstände nicht so groß ist, mag insbesondere daran liegen, dass die am Eisenhammer entstandenen Möbel wegen des hohen Preises nur in geringen Stückzahlen gefertigt wurden. Weniger hochwertige Gegenstände wurden nicht erhalten.

Der im Museum vorgestellte Sekretär ist offenbar ein Einzelstück, das aus Kirschbaum-und Eichenholz zusammengesetzt und von einem Streitbergen Schreiner gefertigt wurde. Das Spätbiedermeier-Stück ist mit einem unleserlichen Namen und dem Zusätz "Streitberg 1900" signiert. Die Kacheln zeigen ein Delfter Muster, wie es hauptsächlich für Küchenmöbel verwendet wurde. Ganz anders dagegen ein Kinderwaschtisch, der einerseits mit Standard-Keramik-Elementen aus der Serienfertigung (Waschschüsseln) ausgestattet worden ist, den andererseits aber auch eine Schmuckplatte mit einem individuellen Märchenmotiv (Froschkönig) von Christian Neureuther ziert, was das Möbelstück nicht für Jedermann erschwinglich machte. Oben Jugendstil und unten Historismus, ist auch dieses Einrichtungsstück ein Zeugnis für die mitunter eigenwillige Fertigung am Eisenhammer. Als man sich in der Produktion auf exklusive Büromöbel verlegte, waren diese unter Umständen im Preis zu teuer, um die für das Weiterbestehen der Fabrik erforderliche Anzahl von Käufern zu finden. Die 1875 gegründete, zunächst wirtschaftlich erfolgreiche Möbelfabrik wurde nach mehr als 100 Jahren geschlossen.

Sehr ungewöhnliche Keramiken aus der Zeit des Historismus, zum Beispiel zwei Kerzenleuchter in individueller Ausstattung, die vermutlich vom Hofgut Entenfang stammen, sind ab sofort im Lindenhof Keramik-Museum zu sehen. Ein Cachepot, der zur Aufnahme von Zimmerpflanzen diente, muss erst noch restauriert werden. Das lädierte, aus der Zeit uni 1885 vom Werkmeister Carl Leonhardt stammende Stück ist so außergewöhnlich, dass die Keßlers es unbedingt erhalten wollen. Aus einem Nachlass stammen zwei Wandteller mit bisher unbekannten Motiven (vermutlich Einzelanfertigungen), die Christian Neureuther entworfen hat. Ein Teeservice aus der Zeit um 1930, das Ursula Fesca zuzuschreiben ist, wirkt mit seinem Design hochmodern und ist aufgrund seiner manuellen Fertigung nicht nur insgesamt, sondern auch jeder Teller für sich ein Unikat.

Quelle: Gelnhäuser Neue Zeitung 14.06.2014

Aktualisiert (Dienstag, den 15. Juli 2014 um 14:21 Uhr)