Gäste aus Neu-Isenburg
Geschichtsverein unterwegs
Brachttal-Streitberg (dl). Am 24. Juli auf den Tag genau 311 Jahre nach der Gründung von Neu-Isenburg besuchten Mitglieder vom dortigen Verein für Geschichte, Heimatpflege und Kultur das Birsteiner Schloss und lernten auf einer Landpartie die Spielbergen Platte und in Streitberg das Lindenhof-Keramikmuseum kennen. In Begleitung von Historiker Dr. Klaus-Peter Decken wollte Bürgermeister und Vereinsvorsitzender Herbert Hunkel mit 56 seiner Vereinsmitglieder mehr über die Gründungsgeschichte von Neu-Isenburg und das Haus (Y)lsenburg erfahren.
Wie es dazu kam, dass am 24. Juli 1699 Graf Johann Philipp von Isenburg und Büdingen mit 30 hugenottischen Flüchtlingen Neu-Isenburg gegründet hat, das erfuhren die Gäste im Birsteiner Schloss in dem Vortrag von Christine Fürstin von Isenburg. Die besondere Verbundenheit der Fürstin mit Neu-Isenburg wollte sie mit dieser Einladung unterstreichen.
Als Landesvater mit sozialer Ader, der keinen Wert auf großen Prunk legte, stellte die Fürstin den Grafen Johann Philipp von Isenburg und Büdingen vor. Nach deren Treue-Eid im Isenburger Schloss zu Offenbach sicherte Graf Johann Philipp den aus Glaubensgründen aus Frankreich geflüchteten Hugenotten und Neubürgern Neu-Isenburgs zehn Jahre Steuerfreiheit zu. Sie mussten keinen Militärdienst leisten und durften ihre Polizeirechte selber wahrnehmen. Das wichtigste war den Hugenotten jedoch, dass ihnen die Glaubensfreiheit garantiert wurde. Das Lebenswerk des Grafen wirkte noch lange nach, denn er hatte eine Reihe von Kirchen und Schulen gebaut und die Infrastruktur seiner Grafschaft durch den Straßenbau verbessert. Diesen Straßen folgten die Besucher, von Birstein kommend, nun teilweise, um den Kern der Isenburger Grafschaft, den Büdinger Wald, zu durchfahren. Historiker Dr. Klaus-Peter Decken erläuterte, warum man gerade die Route vorbei am Gericht Spielberg gewählt hatte, um nämlich an dem ehemaligen Standort der Wasserburg Spielberg vorbei Richtung Eisenhammer zu fahren. Der 1708 unter der Regie der Linie Ysenburg-Wächtersbach entstandene Gebäudekomplex, in dem Eisen verhüttet werden sollte, war auf dem Weg nach Streitberg zu sehen. Die Eisenherstellung dort kam aber nie so richtig in Gang, weil die entsprechenden Fachleute fehlten und die Fundstätten des benötigten Eisenerzes weit weg lagen. Um 1900 wurde der Betrieb eingestellt und das schlossähnliche Gebäude - das Verwaltungsgebäude diente eine Zeitlang den Herrschaften als Jagdquartier - für den Aufbau einer Möbelfabrik genutzt.
Im 1377 erstmals erwähnten Streitberg wollten die geschichtsinteressierten Gäste den vermutlich ältesten Hof des Ortes aufsuchen, dessen fachkundig restaurierte Scheune Marlies und Klaus-Dietrich Keßler heute nutzen, um ihre schöne Privatsammlung von Wächtersbacher Keramiken glänzend zu präsentieren. Keßler gab den Besuchern eine kurze Einweisung in das Thema Wächtersbacher Keramik und verwies auf die Bedeutung der Fabrik für die Region. Der Standort für die 1832 von Graf Adolf zu Ysenburg und Büdingen gegründete Fabrik war gewählt worden, weil man in der Nähe des Fabrikgeländes oberhalb von Schlierbach eine Fundstätte des für die Keramikherstellung notwendigen weißen Tons entdeckt hatte. Auch der als weiterer Rohstoff notwendige Quarz ließ sich aus den vorhandenen Sandgruben selektieren. Der erste Höhepunkt der Keramikherstellung in Schlierbach war die Zeit, die als Historismus in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Max Roesler hatte 1874 die Firmenleitung übernommen und den Betrieb zu einer ersten Blüte geführt. In dieser Zeit sind in der Wächtersbacher Keramik bis zu 800 Arbeitsplätze entstanden.
Der Historismus in der Wächtersbacher Keramik ist auch der Schwerpunkt der im Lindenhof ausgestellten Sammlung. Die Keßlers präsentierten im Anschluss an die kurze historische Einführung ihre Sammlung und hatten den Besuchern aus Neu-Isenburg viele Fragen zu beantworten.
Quelle: Gelnhäuser Neue Zeitung 26.07.2010