Advents- und Weihnachtsausstellung



Wer nie sein Brot mit Tränen aß

Advents- und Weihnachtsausstellung im Lindenhof Keramikmuseum

Brachttal-Streitberg (dl). An längst vergessene Zeiten erinnern soll eine Keramikkachel aus den 40er- beziehungsweise 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts: „Wer nie sein Brot mit Tränen aß, der fahre einmal Holzvergas“. In erster Linie haben Marlies und Klaus-Dietrich Keßler eine Reihe von Neuerwerbungen der letzten Monate zusammengestellt, welche die Sammlung mit Beispielen aus allen Schaffensperioden der Wächtersbacher Keramikfabrik ergänzen sollen. Im Rahmen der Advents- und Weihnachtsausstellung morgen von 14 bis 18 Uhr können diese neuen Stücke im Lindenhof Keramikmuseum

 

Die Kachel, mit einem Entwurf von Ursula Feska geschmückt, erinnert an die Zeit der knappen Rohstoffe nach dem Zweiten Weltkrieg, als Autos mit Holzvergaser einen beißenden Geruch hinter sich herzogen. Im krassen Gegensatz dazu ein Kachelbild, das wahrscheinlich aus der Zeit um 1920 stammt, und auf dem ausgelassene Holländerkinder zu sehen sind.

 

Aus demselben Malerhaus in Neuenschmidten, in dem mehrere Generationen Keramikmaler gelebt haben, stammt auch ein großer im Steindruck dekorierter Teller, der dem Stil des Delfter Geschirrs der 20er-Jahre nachempfunden ist. Die Besonderheit ist die Mehrfarbigkeit des Drucks, die eine Reihe von Arbeitsgängen beim Bedrucken erforderlich machte und das Bild einem Gemälde gleich erscheinen lässt. Gänsehüterinnen und Waschfrauen sind auf kleineren einfarbig blauen Tellern zu sehen. Wenn die Frauen mit den Gänsen ins Freie gegangen sind, dann haben sie sich auch noch etwas zum Stricken mitgenommen, um die Wartezeit sinnvoll zu nutzen.

Wandle auf - Rosen - und -Vergiss-mein-nicht - ist die Botschaft des Telleraufdrucks aus der Zeit um 1880. Selten so schön durch die Blume" gesagt, ergeben Lettern und Bilder zusammengesetzt einen Sinn. Zwei Kannen aus der Biedermeierzeit machen mit oder ohne Aufdruck einen soliden Eindruck. Genieße froh dein Leben lang aus dieser Kanne deinen Trank", steht da geschrieben und könnte gleichwohl genauso gut ein Gemälde sein. Eine Jugendstil-Dose, die wahrscheinlich aus der Schule von Professor Ernst Riegel stammt, gibt es ebenso in zwei verschiedenen Ausführungen zu sehen. Beide in der gleichen Form mit einem Blumenherz verzierten Anlasser sind doch mit unterschiedlich hohem Aufwand hergestellt worden. Die eine Dose handbemalt und mit aufwendiger Glasur vergütet, wurde offensichtlich individuell gefertigt - vielleicht sogar ein Einzelstück. Die andere wurde, bedruckt und einfach glasiert, ganz sicher in der laufenden Produktion hergestellt. Zwei schöne Stücke aus der Zeit des „Art Déco“ bergen noch ein fertigungstechnisches Geheimnis: Dose und Schale sind in einer dunkelgrünen und in einer rotbraunen individuell gemischten Farbe glasiert und mit metallisch glänzenden Applikationen versehen worden. Klaus-Dietrich Keßler möchte herausfinden, mit welchem Fertigungsverfahren dieses Ergebnis erzielt wurde. So hat jedes dieser Stücke seine Geschichte oder sein Geheimnis und ist ein Puzzlestein zum Gesamtbild der verschiedenen Epochen Wächtersbacher Keramikfabrikation.

Quelle: Gelnhäuser Neue Zeitung 18.12.2010