Zweites Neureuther-Unikat im Lindenhof



Zweites Neureuther-Unikat im LindenhofVon Jörg Andersson

Das Privatmuseum Lindenhof in Streitberg erinnert an 180 Jahre Wächtersbacher Steingutgeschichte. Ein neues Highlight ist ein Neureuther-Teller.

Ein Teller aus dem einstigen Privatbesitz des Keramik-Künstlers Christian Neureuther (1868 bis 1921) ist eine neue Attraktion im kleinen Lindenhof-Museum in Streitberg. Klaus-Dietrich und Marlies Keßler, die in einer Fachwerkscheune ihre beachtenswerte Kunstsammlung zur Schau stellen, haben diesen niemals produzierten Entwurf kürzlich in einem Münchner Auktionshaus erworben.

Die Geschichte des Bildtellers reicht bis in Frankfurter Kunstgewerbemuseum zurück. Dessen Leiter Ferdinand Luthmer lieferte das klassische Dekor mit Meerjungfrau und zwei Delfinen 1879 an den Direktor der Waechtersbacher Keramik, Max Rösler. Erst 1917 zog Neureuther den Entwurf aus einer Schublade und stellte seine Fähigkeit als Schmelzmaler unter Beweis.

Mit der Neuerwerbung verfügt das 2003 eröffnete Museum in dem kleinen Brachttaler Dorf nun über zwei Neureuther-Unikate. Vermutlich bereits 1903 entstand nach der Idee von Hans Christiansen aus der Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe ein Teller im Jugendstildekor.

Die private Keßler-Sammlung ist ein Querschnitt von Biedermeier über Jugendstil bis zur neuen Sachlichkeit. Den Schwerpunkt bildet der Historismus und die Fabrikationszeit von 1874 bis 1890 unter Rösler, als Waechtersbacher an die Spitze der deutschen Steingutproduktion aufstieg und eine unendliche Vielfalt an Formen und Dekoren produzierte.

Schon der erste Blick ins Museum lässt die Bandbreite von 180 Jahren Steingutproduktion, vom Kunstgegenstand bis zum schlichten Gebrauchsgeschirr, erahnen: Kirchenleuchter, Schirmständer, Nachttöpfe, Wandkacheln und ein mit Holz kombiniertes Schmuckablagekästchen im Jugendstil. Bei vielen Besuchern wecken die Ausstellungsstücke Erinnerungen. Am intensivsten ist der Wiedererkennungseffekt beim Haushaltsgeschirr aus den 30er bis 50er Jahren, die Keßlers haben es in einem turmförmigen Ausstellungsraum drapiert, einem ehemaligen Futtersilo.

Das Lindenhof-Museum, Lindenstraße 2 in Brachttal-Streitberg, ist jeden ersten Sonntag im Monat von 14 bis 18 Uhr sowie auf Vereinbarung unter Telefon 06054-6714 geöffnet. Der Eintritt frei, um eine Spende wird gebeten.

Quelle: Frankfurter Rundschau  15.06.2012