40.Internationaler Museumstag am 21.5.2017
Am 21.5.17 hatte das Keramik-Museum Lindenhof in Streitberg von 14.00-17.00 Uhr geöffnet, wie rund 200 Museen alleine in Hessen.
Ermuntert hatte dazu das diesjährige Motto des Museumstages:
Spurensuche. Mut zur Verantwortung
Zahlreiche Besucher, viele Fragen, Erzählungen aus der Vergangenheit einiger Familien. Der kleine Vortrag von Klaus-Dietrich Kessler befasste sich mit der damaligen Gründung der Fabrik und ihrer Entwicklung bis zum 1. Weltkrieg. Schwerpunkte waren die Zeit unter Direktor Max Rösler (1874-1890) und der „Große Streik in der Steingutfabrik von 1903 – 1904“.
Max Rösler hat die Fabrik in eine wirtschaftliche Blüte geführt. Unter ihm ist die Steingutfabrik in die Spitze der damaligen recht zahlreichen Steingutfabriken im Kaiserreich vor gestoßen. Und – wichtig für den damaligen Eigentümer der Fabrik, Fürst Ferdinand Maximilian von Ysenburg - die Fabrik war auch wirtschaftlich erfolgreich geworden. Max Rösler war aber nicht nur am wirtschaftlichen Erfolg seiner Fabrik gelegen, er war auch an den sozialen Verhältnissen seiner Arbeiter stark interessiert und versuchte hier fördernd und unterstützend einzuwirken. Er hat u.a. für die Fabrik 1888 eine Betriebszeitung, den „Fabrik-Boten“, gestartet und er hat eine Arbeiterbibliothek gegründet. Beides waren im damaligen Kaiserreich absolute Novitäten. Der berühmte Großindustrielle Alfred Krupp hat für seine Arbeiter erst 1899 eine Arbeiterbibliothek eingerichtet, die „Krupp´sche Bücherhalle“. Das heißt, die Wächtersbacher Steingutfabrik hat damals auch Sozial- und Kulturgeschichte geschrieben.
Auf Vorschlag Max Röslers wurde 1885 im Eisenhammer/Neuenschmidten die „Fürst Ysenburg Möbel GmbH“ gegründet. Hölzerne Serienmöbel und Sonderanfertigungen konnten mit keramischen Schmuckplatten aus der Produktion der Steingutfabrik verziert werden.
Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten.
Einer der Nachfolger von Max Rösler auf dem Chefsessel der Fabrik war Dr. Max Ehrlich. Er kam von der Berliner AEG. Er sagte von sich selbst:“ Ich bin ein Gewaltmensch gegen meine Vorgänger.“ Durch unbedachtes und selbstgefälliges Agieren löste er in der Fabrik den „Großen Streik“ aus, der nach einigem Vorgeplänkel vom 19.10.1903 bis zum 25.6.1904 andauerte. Von den damals rund 500 Beschäftigten in der Fabrik streikten bis zum bitteren Ende 250 Arbeiterinnen und Arbeiter. Viele gerieten in Armut, denn Dr. Ehrlich hat die Streikenden aus der fabrikeigenen Pensionskasse geworfen und ihnen die Hypotheken bei der Fabriksparkasse gekündigt.
Andererseits: Dieser Direktor Dr. Max Ehrlich hat die künstlerische Kreativität Christian Neureuthers zu schätzen gewusst und ihn unterstützt. Ohne ihn wäre vermutlich der „Wächtersbacher Jugendstil“ nicht zu einer solchen Blüte gelangt.
Die Steingutfabrik hat im Jahr 2011 in Schlierbach ihre Produktion eingestellt. Damit sie nicht gänzlich vom Erdbeben verschwindet, wurde vor 2 Jahren der Förderverein Industriekultur Steingut eV gegründet. Das Ziel ist, auf dem historischen Fabrikgelände die Tradition der Steingutfabrik weiter zu führen, soweit das möglich ist, ein kleines Forschungszentrum „Steingut“ zu gründen und wieder ein Museum mit den Produkten der Steingutfabrik einzurichten. Eine in Vorbereitung befindliche Stiftung könnte zwei bedeutende Sammlungen aufnehmen und wäre für Zustiftungen offen. Der Förderverein Industriekultur Steingut will mit seinen Aktivitäten der Gemeinde Brachttal einen Teil ihrer Geschichte erhalten – Geschichte zum Anfassen sozusagen- und er will mit seinen Aktionen auf dem Fabrikgelände einen Ankerpunkt für ein Fremdenverkehrskonzept schaffen.
Quellen für den Inhalt des Vortrags waren u.a. die Publikationen von Heinz und Lilo Frensch, Dr. Klaus-Peter Decker und Volker Kirchner